„Chicha de mais“ mit „Larven crocante“ und fast eine Geburt
Zuerst mal richtig gute Neuigkeiten: Der Senior, welcher vom Stachelrochen gestochen wurde, ist auf dem Weg der Besserung. Sämtliche Reste des Stachels konnten ohne Folgen entfernt werden. Die 10-fache Mutter ist auch wieder in der Comunidad und kommt langsam zu Kräften, arbeitet schon wieder auf dem Feld. Die Begriffe „Krankschreibung“ oder „sich schonen“ existieren definitiv nicht in ihrem Alltag - daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Egal wir sind erstmal erleichtert und glücklich!
Ein gutes Omen also für den Start der zweiten Tour. Dementsprechend fröhlich und gelöst ist die Stimmung am Hafen. Diesmal sind wir ein Achter-Team. Für den Quiquibey benötigen wir zusätzlich einen Puntero – den Mann in der Bootsspitze, der mit geheimnisvollen Handzeichen mit dem Bootsführer kommuniziert und das Boot sicher durch Untiefen, Baumfriedhöfe, Stromschnellen und Mörderstrudel manövriert. Alle, die uns aus Deutschland auf den Touren bisher begleitet haben, sind jedes Mal völlig geflasht von dieser stillen Kommunikation. Vicente und Melwin bilden dieses Dreamteam. Doc Christian kann uns überraschender Weise nicht begleiten, hat aber quasi über Nacht für Ersatz gesorgt: Victor kommt aus La Paz, praktiziert seit 1 Jahr in Rurre und war noch nie „im Feld“. Gummistiefel und Poncho sind schon mal vorhanden. Beim Beladen packt er ordentlich mit zu – sollte passen. Im Boot haben wir genug Zeit, über Besonderheiten am Quiquibey und die Abläufe im Team zu quatschen.
Wir hoffen, heute noch bis San Luis Grande, also der obersten Comunidad im Schutzgebiet zu kommen! …ohne Schieben… Erleichterung, als sich endlich das rotbraune Wasser des Quiquibey mit den schmutzig grauen Fluten des Rio Beni mischen. In der Serrania hat es geregnet, der Fluss ist höher als letzte Woche, aber auch nicht zu hoch. Aber nachdem es bis Februar viel zu wenig geregnet hatte, hat die Flutwelle letzte Woche drei neue Corte (Durchbrüche zwischen den Riesenkurven) aufgerissen. Stellt euch mal vor, man ist da gerade auf dem Fluss ist!!!!! Erstmal klingt es nach einer Verkürzung der Fahrstrecke, die Mäander sind manchmal Kilometer lang. Aber – wenn an der entsprechenden Windung eine Comunidad liegt, ist die jetzt vom navegierbaren Rio isoliert. Nach wie vor versperrt aber der abgekapselte Altarm den direkten Zuweg, bzw. existiert auch kein Pfad „außen rum“. Der Buschfunk hatte es uns schon Samstag geflüstert – mit San Bernardo ist genau das passiert. Mist, dort hatten wir immer zuerst behandelt und die erste Nacht verbracht, damit der Plan aufging. 2007 zur ersten Tour lagen 6 der 7 Weiler direkt am Fluss, jetzt sind es genau noch Zwei. Den Aktivhof kennen ja die meisten von Euch – stellt euch einfach vor, ihr wohnt dort direkt an der Hauptstraße von Porschdorf, parkt abends noch euer Auto am Straßenrand und am nächsten Morgen, steht das Auto noch da, aber die Straße ist einfach weg. Ihr müsstet die Karre auf dem Buckel durch Schlamm, Treibholz und Gestrüpp 3 km bis runter an die Elbe schleppen um wieder Anbindung zu haben. Auch alles, was ihr in Zukunft braucht, müsst ihr nun drei Kilometer schleppen, statt direkt vors Haus zu fahren…. Nun ist das ganze aber gar nix Abnormales an Flüssen, das war schon immer so und die Leute leben damit.
Abnormal ist, dass der Rio Quiquibey seit ein paar Jahren nun auch zur Regenzeit kaum navegierbar ist mit Außenbordern. Die Menschen sind also auch jetzt von der medizinischen Versorgung, weiterführenden Schulen oder Märkten für Ihre Produkte usw. abgeschnitten. Die Leute sind überzeugt, das Klima wandelt sich deutlich. Schlechte Ernten wegen zu wenig Regen erhöhen den Druck, so dass der Trend zur Abwanderung an die Straße immer größer wird. Die Weiler bluten aus. Das Leben an der Straße ist leichter, fließend Wasser, Strom – nur dass die Dorfstruktur auch dort für so viel Zuzügler gar nicht gemacht ist. Neue Probleme, neue Krisen. Wir hoffen, mit unseren immer wieder kehrenden medizinischen Versorgungstouren und der Aufrechterhaltung des Gesundheitspostens in San Luis Grande, dem Abwanderungstrend etwas entgegen zu setzen. Da es auch bolivianische Projekte zur Verbesserung(nachhaltig) der Ökonomie gibt und fast alle Comunidades inzwischen eine Schule (MIT LEHRER) haben, gibt es definitiv Hoffnung!
Wir kommen entgegen aller Unkerei gut voran. Ab und an ziehen wir die Gummistiefel aus, bereit für den Sprung aus dem Boot, falls wir doch auflaufen. Die neuen Cortes sind mächtig gewaltig! Ohne Melwins Hinweis hätten wir gar nicht gemerkt, dass wir gerade San Bernardo passieren. Kein Hinweis kein nix deutet am Ufer darauf hin, dass da irgendwo eine Comunidad liegt. Keine Chance, unser Kommen anzukündigen. Wir hoffen auf den Buschfunk! Gegen 14.00 Uhr erreichen wir die Hütten von „Aquas Claras“ – 4 Familien. Wir wollen die Zeit nutzen und schleppen alles Notwendige für die Behandlung das Steilufer hinauf. Der Planet brennt um diese Zeit besonders intensiv, was die Sandfliegen zu Höchstform auffliegen lässt. Für Doc Victor ist es gleich eine ordentliche Schocktherapie: Sprechstunde unter freiem Himmel, drei Bänke, kein Tisch, kein Spanisch. Vicente haben wir auch deshalb angeheuert, weil er als Motseten auch Tsiman spricht und somit gleich als Übersetzer für beide Sprachen helfen kann. Es wird also werden. Erstmal müssen noch alle von den Feldern geholt werden. Melvin sammelt eine Familie vom gegenüberliegenden Ufer ein. Ich versuche inzwischen den Körper runter zu kühlen. Sobald der Fahrtwind weg ist, steht die Luft. Wir zerfließen förmlich. Für Ablenkung sorgen baumfrische Pampelmusen, mit denen wir uns die Wartezeit versüßen. Und wer denkt, dass 4 Familien schnell behandelt sind….
Am Ende machen Vicente und Melwin Druck – wir müssen vor der Dämmerung in San Luis Grande ankommen! Nochmal 2 Stunden – kurz vor 18.00 Uhr erreichen wir die Mündung des kleinen Rio San Luis Grande und tuckern hinein. Man hat unseren Motor längst gehört, gespannt hocken die Kinder am Ufer und erkennen uns. Als wir ein paar hundert Meter weiter oben anlegen, steht fast das gesamte Dorf bereit. Wir werden herzlich empfangen und große wie kleine Hände greifen nach unserem Berg an Ausrüstung. Im Nu ist unser Gerassel verteilt. Wir können nicht wie sonst in einem der beiden Schulzimmer schlafen – da wohnt jetzt die Lehrerin. Eine sehr gute Nachricht!! Aber wir bekommen eine freie Hütte für unsere Zelte. Ein paar der Familien sind auch von hier an die Straße gezogen. Mhm, hier also auch… Da es gleich auf einen Schlag dunkel werden wird, bauen wir sofort die Zelte auf und beginnen mit den Essensvorbereitungen. Später sitzen wir bei Kerzenlicht unter einem sagenhaften Sternenhimmel. Am Horizont türmen sich mächtige Wolken, die immer wieder von Blitzen durchzuckt werden. Wir stoßen auf einen gelungenen ersten Tag an. Ein paar der Dörfler setzen sich mit ihren Matten aus Palmfasern zu uns. Cocablätter machen die Runde. Es gibt viel zu erzählen – Trauriges, Abenteuerliches, Bedenkliches aber meist schallt herzhaftes Gelächter durch die Nacht. Glücksmomente!
Unser Arbeitstag beginnt mit dem Scheppern der „Schulglocke“. Joselo schlägt also mit einem Stein auf eine ausgediente Autofelge – wie auch immer die hier gelandet ist! Die Lehrerin hilft uns beim Organisieren der Zahnputzcampagne. Umso besser, dass auch gleich fast alle Erwachsenen mit da sind. Blau, blau, blau sind alle meine Zähne… Acht Familien leben zurzeit nur noch hier. Leider gehören auch „unsere“ 2 Leishmaniose-Fälle vom letzten Jahr zu den Abgewanderten. Aber der Dorfchef versichert uns, dass zur Behandlung wirklich beide Familien ihre Kinder nach Rurre ins Hospital gebracht haben und dort auch geblieben sind, bis sie vollständig abgeschlossen war … und das erfolgreich! Das neugeborene Baby mit dem deformierten Kopf, ist ebenfalls wohlauf. Eine leichte Deformierung ist noch erkennbar. Aber die monströse Schwellung am Kopf ist vollständig zurück gegangen und bisher hat sich die Kleine normal entwickelt. Besorgniserregend ist der Zustand von Donja Mercedes (62). Wir hatten sie 2010 als Notfall mit Tuberkulose mit ins Hospital nach Rurre genommen. Ihre Nachbarin erklärt, dass sich nie wirklich auskuriert hat. Seit Monaten hustet und keucht sie wieder verstärkt. Doc Victor vermutet, dass sie die Antibiotika nie vollständig genommen hat, also immer wieder abgesetzt und der Erreger somit eine Resistenz aufgebaut hat. Sie müsste sich schleunigst testen lassen, um exakte Aussagen zu treffen und eine mögliche Ansteckung der kompletten Großfamilie zu verhindern…. Wir können nur eindringliche Empfehlungen aussprechen. Zum Glück sind wir für die meisten anderen Krankheiten bestens gerüstet. Wir haben auch genügend Medikamente dabei, um den Gesundheitsposten wieder aufzufüllen. Donja Blanca hat über jede Medikamentenausgabe genau Buch geführt. Gemeinsam stocken wir am späten Nachmittag die Bestände auf. Joselo und der Doc erklären und beantworten alle ihre medizinischen Fragen so gut es geht. Hoffen wir, dass sie das Dorf nicht auch irgendwann Richtung Straße verlässt!
Wie begrenzt unsere Möglichkeiten hier sind, zeigt uns der neugierige Jose (9) wieder nur all zu deutlich. Der Kleine leidet unter einer Einschränkung des Lernvermögens, auch sein Sprachvermögen ist davon beeinträchtigt. Aber ihn wird keiner diagnostizieren, keiner einen Förderplan ausarbeiten. Unterlagen über etwaige Probleme während der Schwangerschaft, während der Geburt oder über einen mysteriösen Unfall mit 3 Jahren als mögliche Ursache existieren nicht. Es ist einfach nix rauszukriegen, körperlich kann Victor nix feststellen. Er bittet Eltern und Lehrerin eindringlich, Jose unbedingt wie alle anderen Kinder zu behandeln und zu fordern, damit er nicht ausgegrenzt wird. Betreff des Sprechens erklärt er den Eltern, dass die Aussprache nur durch Üben verbessert werden kann. Es fehlt an Stimulation. Die Lehrerin verspricht uns dran zu bleiben.
8.30 Uhr am nächsten Morgen schleppen wir sämtliche Ausrüstung zum Boot zurück, natürlich nicht ohne helfende Hände. Wir haben den ganzen Tag für San Luis Chico eingeplant – inzwischen die größte Comunidad am Quiquibey. Schlafen wollen wir dort nicht. Auch SLC liegt seit ein paar Jahren zu weit weg vom Fluss. Leider liegt auch keine Schubkarre rum am Ufer. Auf halbem Weg treffen wir den „Bürgermeister“ auf dem Weg zum Fischen. Er nimmt uns eine Kiste ab und begleitet uns. Unterwegs schickt er noch seine Jungen los, um alle zu informieren. Super! Während der Wartezeit werden Neuigkeiten ausgetauscht. Positiv: das „Schulsystem“ ist um eine Hütte erweitert worden für die Sekundaria. Die baut auf der Grundschule auf. Eine zusätzliche Lehrerin ist sogar vor Ort. Allerdings ist heute keine Schule – die drei Lehrkörper sind erst gestern angekommen und müssen sich organisieren! Irritierend daran ist, dass das Schuljahr - auch hier mitten im Regenwald - bereits Anfang Februar begonnen hat. Trotzdem, immer schön das Positive suchen! Vielleicht können uns die Lehrer wenigstens beim Organisieren der Zahnputzcampagne für den „Sack Flöhe“ helfen ;o))
Wir bauen gerade unsere „Sprechzimmer“ auf, als wir erfahren, dass in den letzten 8 Tagen 4 Kleinkinder verstorben sind. Drei vermutlich an Dengue-Fieber, eins an „mal viento“. „Mal viento“ bedeutet genau genommen „schlechter Wind“. Hier geht es allerdings um einen spirituellen Hintergrund. Es umschreibt in dem Fall den Zustand von Säuglingen, die aus irgendwelchen Gründen nicht überleben bzw. als nicht lebensfähig gelten und die Ursache dafür gleichermaßen. Das macht es den Eltern leichter, das Ganze zu akzeptieren bzw. zu respektieren. Ganz schnell die deutsche Denke beiseiteschieben!!!
5 Stunden haben wir straff zu tun. Vor allem die Sprachbarriere (ohne Übersetzer geht fast nix) und die Schüchternheit der Mütter kosten einen laaaaaangen Atem. Nach 2 Tagen hat Doc Victor aber schon seine eigene Taktik gefunden. Erstaunlich ist wie immer die Gelassenheit und Beharrlichkeit, mit der die Ärzte inmitten von Hitze, Insektenwolken, kreischenden Kindern und dazu unter äußerst spartanischen Bedingungen, nie die Geduld verlieren. Selbst als Joselo plötzlich alles unterbricht und einen Notfall ankündigt. Einer Frau lief beim Wiegen plötzlich viel Blut das Bein herab. Warum - konnte er nicht rauskriegen, aber sie ist eindeutig hochschwanger. Ich zucke unwillkürlich zusammen!!! So viel Blut – eine Blutspur zieht sich von der Tür über den Boden. Aus 2 Schulbänken improvisieren wir eine Liege. Torsten und Joselo schirmen die Untersuchung ab. Als wir am Abend vorher über unser Erlebnis während der letzten Tour sprachen, erzählte Victor, dass er gerne mal bei einer Geburt dabei wäre… In mir krampft sich noch immer alles zusammen. Aber alles ist Bestens. Victor untersucht die Öffnung des Muttermundes und zaubert plötzlich tragbares Mini-Ultraschall-Gerät aus seinem Beutel. Alle lauschen wir verzaubert den Herztönen. Er schaut erst ein wenig besorgt, meint aber, dass das Baby richtig rum liegt und alles normal verliefe. Auf 19.00 Uhr setzt er die Geburt an. Schade, da sind wir schon unterwegs. Ein bissl sind wir hin und her gerissen, zumal die dorfeigene Geburtshelferin nicht vor Ort ist. Aber hier geht’s ja nicht nach unserem Gusto, wir müssen am Ende schließlich alle Gemeinden besuchet haben. Doc Victor versichert uns nochmal, dass es aus medizinischer Sicht nicht notwendig wäre, hier zu bleiben. Nach der Fehlgeburt während der ersten Tour ist das jetzt irgendwie, wie so ein Ausgleich!
Zufrieden stiefeln wir die 30 Minuten zum Boot zurück. Der Plan ist so rasch wie möglich flussabwärts nach Corte zu fahren und dort vielleicht noch 2-3 Familien zu behandeln. Während wir morgen den Rest behandeln, will Melvin zurück nach San Bernardo fahren, um dort alle einzusammeln, die eine Behandlung brauchen. Guter Plan! Erstmal muss er aber den Zugang zur verschollenen Comunidad finden….
Mehr als 2 Familien schaffen wir dann doch nicht – immerhin 15 Leutchen. Mit unseren Zelten kommen wir im leider noch verwaisten Schulgebäude unter. Die Lehrerin ist nicht wieder gekommen bisher. Mist! Ab 18.30 Uhr drücken alle ganz fest die Daumen, dass in San Luis Chico gerade ein gesundes Baby zur Welt kommt. Jeder opfert Pacha Mama ein paar Cocablätter und den ersten Schluck des Feierabend-Singani.
Bis zum nächsten Mittag haben wir auch die restlichen Einwohner von Corte behandelt, gespannt warten wir auf Melvins Rückkehr. Hat er einen Pfad gefunden? Werden sie mitkommen?
Tatsächlich kommen sie mit zwei eigenen kleineren Booten kurz nach Melvin an. Wir sind erleichtert! Niemand hätte sich wohl gefühlt bei dem Gedanken, einfach vorbei gefahren zu sein! Wir geben ihnen etwas Sprit für die Rückfahrt. Dafür haben wir immer einige Extra-Liter ungemischt dabei.
1,5h flussabwärts liegt Bisal. Wäre gut, dort heute noch Halt zu machen. 5-7 riesige Familien und ein paar Junggesellen sollen zurzeit dort wohnen. Wird sportlich – wenn wir bis 17.00 Uhr nicht wieder im Boot sitzen, müssen wir dort übernachten. Das würde bedeuten alles 2,5km rein zu schleppen oder auf einer Sandbank gegenüber zu campen. Da sich gerade wieder was zusammenbraut am Himmel hält sich die Begeisterung dafür in Grenzen. Optimistisch schnappen wir unsere Medikamentenkisten, Rucksäcke mit Zahnarztausrüstung, Zahnbürsten usw. Auf in die Sauna! Gerade haben wir das neue Schutzdach mit Feuerstelle, diversen Hühnern, einem Kapuzineraffen und vergnügt tratschender Dorfgemeinschaft erreicht, als auch schon die ersten Donnerschläge krachen. Nach kurzem Hallo und Wiedererkennen holen die Männer rasch ein paar Bänke und sogar einen Tisch für Sonia und richten uns das Sprechzimmer unterm Palmendach ein. Während der Himmel seine Schleusen öffnet, legen wir los. Parasiten über Parasiten, Bindehautentzündung, Pilzbefall, Anämie, Sarna, Fieber, Durchfälle – erstmal alles normal. Der vorletzte Patient – einer der Junggesellen – will gerade aufstehen, da ermahnt ihn der Kazike, seine Wunde am Bein nicht zu vergessen. Zum Vorschein kommt schließlich unter einem blutigen Lappen eine 4 cm lange ordentlich tiefe Wunde an der Oberschenkelinnenseite. Jagdunfall – beim Versuch einen gefangenen Rehbock fest zu halten, hat sich der Jäger das eigene Messer in den Oberschenkel gerammt. Die Wunde muss leider wieder geöffnet und gesäubert werden… der junge Kerl beißt die ganze Zeit tapfer auf ein Stück Holz.
Der Regen ist abgezogen. Der Urwald dampft heftiger als zuvor. Es dämmert schon, als wir das Boot am Anlegeplatz von Gredal ausladen. Hier haben wir 2007 auf der ersten Tour mal übernachtet. Damals ein großes Dorf – das einzige mit Wasserleitung – leben heute noch ganze drei Familien hier. Die Wasserleitung gibt’s nicht mehr und fast alle Häuser sind zerfallen. Aber es ist ein schönes Fleckchen Erde, leicht erhöht und mit 2 Frischwasserquellen. Da alle ziemlich müde sind, ist der letzte Abend noch vor 23.00 Uhr zu Ende. Zumal Melvin und Vicente direkt am Boot schlafen müssen. Der Quiquibey ist unberechenbar und zu weit weg, um was zu hören oder gar zu sehen. Bis Mittag haben wir alle behandelt, einschließlich zweier eingewachsener Zehennägel. Das muss ich nicht beschreiben – oder?!?! Gerade wollen wir zum Fluss, da öffnet der Himmel sein Schleußen. Sofort bilden sich riesige Pfützen und kleine Sturzbäche. Also gibt’s noch einen Snack. Große fette Larven fingerdick und fingerlang aus der nahen Machopalme werden fix frittiert dazu noch ein paar Kleinere aus der Motacupalme. Frittiert mit Salz geht alles … so lange der Kopf mitspielt. Nein, im Ernst, es schmeckt ganz gut. Da sind die großen Schalen mit gegorener Mais-Chicha wesentlich herausfordernder. Fahren muss ja nur noch der Motorista! Prost! Und wir reden uns tapfer ein, dass das Ganze nicht mittels Spucke fermentiert wurde … ;o))) Auf der Rückfahrt geht es jedenfalls lustig zu. Wir sind so froh, dieses Team an unserer Seite zu haben! Alle haben wieder hart gearbeitet.
Mal sehen, ob wir den neuen Erdenbürger von San Luis Chico schon im Juli „persönlich“ begrüßen dürfen. Gemeinsam mit Joselo haben wir über eine erste lange Tour im Juli nachgedacht. Wegen des geringen Wasserstandes könnte das Team nur in „Peque-Peques“ reisen – kleinere Boote mit Zweitakt-Terrormotor und weniger Tiefgang. Man bräuchte weniger Sprit aber mehr Tage. Die Situation vor Ort hat gezeigt, dass es dringend nötig wäre. Gebeten wurden wir schon so oft. Wir werden das Ganze gut durchkalkulieren und abwägen. Auch für eine Verbesserung der Zahnärztlichen Versorgung gibt es neue Pläne.
Gerade erst wieder da, steht also neben der Abrechnung auch gleich die neue Planung an. Danke, dass ihr uns immer wieder helft, diese Versorgungsfahrten seit 2007 jedes Jahr zu realisieren. Danke auch im Namen des „Team-Bolivia“ und der Menschen in den Gemeinden! mehr Bilder ansehen...