Rio Quiquibey 2013

Abreise mit Hindernissen: Geplant war der Tourstart für Montag, den 1. April – dem ersten Arbeitstag nach der „Semana Santa“(Osterwoche). Erstmals seit drei Jahren hatten wir von der Schutzgebietsverwaltung wieder die Zusage, uns mit einem parkeigenen Motor samt Motoristen zu unterstützen. Bisher verursachte das Mieten des teuren Außenbordmotors immer einiges an Kosten. Das ganze wurde natürlich offiziell beantragt und bestätigt. Soweit so gut. Am Montagmorgen türmen sich die Packtaschen vor der Klinik, Lebensmittel werden sortiert. Antonio will inzwischen den Motor ans Boot anbauen…. Nach 15 Minuten steht er wieder vor uns und sein Gesicht spricht Bände. Der Chef der Parkranger will uns anfänglich noch weißmachen, es hätte einen Notfall gegeben mit Wilderern und illegalem Holzeinschlag und, und, und. Er hat es schlicht und ergreifend vergessen!!! Mindo, der versprochene Motorista, und der versprochene Motor sind routinemäßig seit einer Woche auf Patrouille flussaufwärts an der äußersten Parkgrenze. Woher bekommen wir jetzt so schnell Ersatz? Mindo sollte immerhin auch als Übersetzer fungieren!

Weit und breit findet sich auch nicht die geringste Spur von der Krankenschwester des Hospitals samt Impfstoffen. Der Anruf im Hospital verursacht dann erste Wutausbrüche – bei den Europäern. Leider hat es auch im Hospital einen „Notfall“ gegeben… Josello zerrt wütend die bestätigten Antragspapiere aus den Akten. Aber die helfen nun auch nicht mehr. Wir halten Kriegsrat und beschließen, die Tour um einen Tag zu verschieben. Der Rangerchef hat inzwischen per Funk seine Ranger informiert und zurück beordert. Morgen können wir sie 3 Stunden flussaufwärts treffen, den Motor tauschen und Mindo als Motorist und Übersetzer einladen. Im Krankenhaus laufen wir zu dritt auf, um für den nächsten Tag eine Vereinbarung zu treffen. Bis Januar ist unsere Tour die einzige Chance am Oberlauf des Quiquibey zu impfen! Die Ausreden sind so unverfroren. Die Wahrheit ist: Nach den Feiertagen ist die Hälfte des Personals einfach noch nicht wieder eingetroffen – viva Bolivia! Aber das Warten hat sich am Ende gelohnt. Am Dienstagmorgen steht Krankenpfleger Carlos punktpünktlich mit seiner riesigen Kühlkiste am Hafen. Er war bereits zweimal mit uns unterwegs. Ilka und er sind ein eingespieltes Team – und das mit der am beeindruckendsten Geräuschkulisse. Wer lässt sich schon gern spritzen?! Die Neugeborenen erhalten von uns ihre ersten offiziellen Dokumente. Ilka strahlt jedes Mal, wenn sie auf älteren Carne`s ihre Handschrift entdeckt. Nach sechs Jahren gibt’s da so einige.

Die Übergabe am Flussufer funktioniert tatsächlich. Mit Mindo treffen wir ebenfalls auf einen alten Bekannten. Er war schon bei der ersten Tour 2007 mit dabei. Er selbst ist Mosetene und wohnt mit seiner Familie ebenfalls am Quiquibey. Während wir den Motor tauschen führt Denis, unser Arzt, direkt am Flussufer noch drei Notfallbehandlungen durch. Schon hier in Asuncion wird uns klar, dass wir es heute nie und nimmer bis zur obersten Comunidad nach Bolson schaffen. Der Fluss führt kaum Wasser, ist aber dafür fast glasklar. Nach unzähligen Bootsschiebeaktionen über kleine und größere Stromschnellen erreichen wir erschöpft und klitschnass San Bernardo. Hier werden wir unsere Zelte aufbauen. Wir haben gerademal die Hälfte der Strecke geschafft – dabei ist noch nicht mal Trockenzeit!

Ein paar der Herren im Dorf sind sternhagelvoll. Kurz vor uns war der Flusshändler hier. Er kauft die handgefertigten Palmblattdachsegmente auf, bzw. führt er einen makabren Tauschhandel. Für die Menschen am Fluss ist dies oft die einzige Möglichkeit an Salz, Öl oder Seife zu kommen. Natürlich bringt der Flusshändler auch 96 prozentigen Alkohol und Zigaretten mit. Da die Flussbewohner die reellen Preise in Rurre nicht kennen, werden sie beim Tauschgeschäft gnadenlos übers Ohr gehauen. Doch dieses Mal sollte sich die Natur rächen. Als wir drei Tage später wieder in San Bernardo übernachten ist der Comerciante (Flusshändler) wieder im Dorf, um die Bewohner anzuspornen, noch mehr Palmblattdächer für ihn zu fertigen. Er hat sein Lager etwas oberhalb des Dorfes an einem kleinen Zufluss in den Quiquibey aufgeschlagen. Seit dem frühen Nachmittag rumpelt es schon gewaltig in den naheliegenden Bergen der Serrenia Pilon Lajas. Ein gewaltiges Gewitter entlädt sich. Allerdings haben wir noch keinen Tropfen abbekommen. Gegen 22:00 Uhr verstärkt sich urplötzlich das Rauschen des Flusses. Innerhalb einer halben Stunde steigt der Quiquibey fast zwei Meter, in den nächsten vier Stunden nochmal einen Meter. Der Fluss ist rasend schnell und randvoll mit Treibholz und ganzen Bäumen. Einer dieser Bäume trifft mit voller Wucht das voll beladene Floß des Händlers und reißt es mit sich fort. Insgeheim denken wir, dass es doch eine Gerechtigkeit gibt. Wir selber haben die ganze Nacht bis in den Morgen zu tun, unser eigenes Boot zu sichern. Erst müssen wir schieben wegen zu wenig Wasser. Nun müssen wir bangen wegen zu viel Wasser. Unser Nachtplatz im Dorf war allerdings nie in Gefahr.

Reisestatistik:

Personal

  1. Dr. Denis Mosqueira, Allgemeinarzt
  2. Dr. Roberto Yani, Zahnarzt
  3. Antonio Mendia, Apotheker
  4. Thomas Christer, Volontär – Australien
  5. Carlos Mendosa, Krankenpfleger aus dem Hospital
  6. Torsten Roder, Projekt Regenzeit e.V.
  7. Ilka Sohr Projekt Regenzeit e.V.
  8. Hermindo Vies, Übersetzer und Bootsführer Pilon Lajas
  9. Henry Farinas, Puntero y Cosinero
  10. Yvette Barkawitz
  11. Andrea Milke

Behandelte Personen in den jeweiligen Dörfern

  1. Bolson - 9 Patienten
  2. San Luis Grande - 48 Patienten
  3. San Luis Chico - 61 Patienten
  4. San Bernardo - 15 Patienten
  5. Corte - 21 Patienten
  6. Gredal - 6 Patienten
  7. Bisal - 18 Patienten

Insgesamt:
178 Patienten, 3 Notfallbehandlungen in Asuncion, 41 Zahnbehandlungen, 73 Impfpatienten

Die Zahnputzschule konnten wir in San Luis Grande und San Luis Chico durchführen. Insgesamt nahmen 64 Kinder an diesem Aufklärungsprogramm teil.

Wir danken allen Beteiligten vor Ort, die noch immer ihre von den Insekten zerstochenen Gliedmaßen pflegen und natürlich auch den Spendern aus Deutschland.

Liebe Grüße aus dem Dschungel Torsten Roder & Ilka Sohr