Medizintour Rio Quiquibey Februar 2019
Regentropfen, die an dein Fenster klopfen … dideldideldum
Von wegen romantisch ans Fenster klopfen! Es gibt ja nur Moskitonetze hier. Da trommelt was aufs Dach, so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Doch mindestens 7 Leute in Rurrenabaque atmen auf: „Zum Glück schlafen wir heute Nacht nicht im Zelt am Fluß!“
Von Anfang an sitzt uns das Wetter wie ein bissiger Nasenbär im Nacken. Als wir endlich unser Flugticket nach Rurrenabaque in der Hand hielten, war klar, dass der Landweg für mindestens 10-14 Tage blockiert sein würde. Natürlich stand nach den furchtbaren Erdrutschen erstmal das Bergen von eventuellen Überlebenden und später das der Toten im Vordergrund. Als man mit ersten Räumarbeiten begann, waren aber immer noch mindestens ein Bus und 6 Autos unter den Schlammmassen eingegraben. Neben vielen anderen Dingen bedeutet keine Straße auch, dass keine Tanklaster durchkommen. Also auch kein Benzin - und davon brauchen wir für unsere Medizinischen Versorgungstouren ne ganze Menge. Schon von La Paz aus hatte Torte unseren Freund Pedro gebeten, alles an Benzin zu kaufen, was er bekommen kann, egal zu welchem Preis. Die Tankstellen waren da schon längst leer. Aber auch der viel teurere Schwarzmarkt ist irgendwann leer. Hoffnung lag dann auf einem LKW, der von Brasilien aus gestartet war - EINEM. Allerdings galt auch die Straße von Brasilien nach Rurre als unpassierbar – überschwemmt und weggespült. Gas gabs auch keins mehr und das Gemüse verschwand von den Marktständen. Über 38 Ecken hatten wir unser Benzin schließlich zusammen (teilweise in 2-Literflaschen), 230 Liter für die 1. Tour und schonmal 80 Liter für die 2. Tour in Aussicht. Mit 230 Litern darf aber auch nix Unvorhergesehenes dazwischenkommen.
Am Montagmorgen treffen wir uns 7.30 Uhr zum Beladen unseres Fundations-Bootes. „El bote de me suenos“ hat Melwin es genannt – „Das Boot meiner Träume“. Der Rio Beni ist weiter gesunken und „schiffbar“, nachdem er in der Vorwoche Rurre teilweise überflutet hatte. Torte und Melwin holen das schwer erkämpfte Benzin aus dem Versteck. Ich befördere derweil mit Josello mittels Knatter-Dreirad-LKW Medikamente, Zahnbürsten, Lebensmittel, Zelte, u. v. m. zum Hafen. Beim Umladen helfen der neue Fundations Arzt Max und Linnea, Ärztin aus Deutschland. Schließlich stoßen unsere Zahnärztin Sonia und Motorista Adalit zur Truppe. Jetzt fehlt nur noch Carlos vom Hospital Rurre mit seiner Monsterkühlkiste für die Impfstoffe. Wir werden unruhig, das Krankenhaus hatte uns doch fest zugesagt! Endlich rumpelt die Ambulanz heran – Aufatmen. Wir wissen nicht, was uns erwartet, welche Comunidades überflutet waren und wie schlimm. War der Rio Quiquibey auch betroffen? Bereits im ersten Canyon merken wir, dass uns auf einmal Treibholz entgegenkommen. Das war doch gerade noch nicht so?!? Das Holz nimmt rapide zu, also steigt der Fluss bzw. irgendein Zufluss des Rio Beni. Nach 2 Stunden haben wir Gewissheit. Es ist ausgerechnet der Quiquibey! Rotbraune Fluten gurgeln uns entgegen. Wie hoch und wie schlimm es steht, weiß man immer erst ab der Mündung. Melwin stiert im Bug skeptisch auf die ungewöhnlich hohen Wellen. Mit einem Stock zeigt er Adalit die Wassertiefe an und leitet ihn an Untiefen und Baumhindernissen vorbei zwischen den immer dichter aufeinanderfolgenden Treibhölzern hindurch. Spätestens als eine Welle über unserem Boot zusammenschlägt sind alle wach und pitschnass. Verkrampft halten wir uns am Bootsrand fest und ziehen schon mal die Gummistiefel aus. So schwimmt sich’s einfach besser! Endlich erreichen wir Assuncion, das erste Dorf am Quiquibey. Hier sind wir erstmal sicher und wollen abwarten. Das Wasser steigt rasend schnell. Wir sitzen es aus. Der Rio Quiquibey ist nicht lang, daher sinkt das Wasser auch schnell wieder – möglicherweise…. Nach 2 Stunden kommt immerhin kaum noch Holz runter und der Fluss wirkt ruhiger. Wir setzen unseren Weg fort, informieren unterwegs alle, die wir am Ufer sehen, wann wir in Ihr Dorf zur Sprechstunde kommen. Wegen der starken Strömung erreichen wir San Bernardo zu spät, um noch zu behandeln. Sofort bemerken wir, dass die Hütten viel näher an der Abbruchkante des Steilufers stehen, zwei fehlen ganz. Die hat sich der Rio schon geholt. Unsere Motoristen haben wirklich einen sauguten Job gemacht. Max und Linnea sind zum ersten Mal hier unterwegs und nicht nur für Sie ist die Hochfahrt das Thema in der abendlichen Runde unterm Sternenhimmel. Leider finden es die Moskitos auch sehr schön! Wetterhose und Regenjacke sind angesagt – lieber „erschwitzt“, als erstochen!
Kurze Unterbrechung: 16.2. Samstag, 21.20 Uhr: Gerade hat Melwin angerufen, ob wir nicht Lust hätten, zum Hafen zu kommen. Er wird heute Nacht wieder im Boot schlafen. Das Goldgräbernest Guanay, flussaufwärts, ist überschwemmt und somit ist die nächste Flutwelle zu erwarten. Der Rio Beni leckt bereits wieder an der Oberkante….
Die Nacht verbringen Melwin und Adalit im Boot. Sie müssen verhindern, dass das Boot trockenfällt, wenn der Fluss wieder sinkt. Am Morgen ist der Quiquibey wirklich wieder normal – locker 3 Meter niedriger als am Vortag. Wir behandeln bis in den Mittag hinein. Alle freuen sich über die Familienfotos vom letzten Jahr. Auch wenn es nur 5 Familien sind, dauert es seine Zeit, vor allem wegen der Sprachbarriere. Hier sprechen fast nur die Männer Spanisch - ein bisschen. Anschließend ist die Zahnputzcampagne dran. Hoffentlich reichen unsere Erwachsenenzahnbürsten für alle Dörfer am Fluss. Danke, an all die fleißigen Zahnbürsten-Spender an dieser Stelle!
Nächster Halt ist in Aqua Claras. Von dort geht es weiter nach San Luis Grande. Eindeutig unser Favorit. Wir können unsere Zelte dort immer in der Schule aufschlagen. Sie hat 2 „Klassenzimmer“ - eins zum Schlafen, eins zum Behandeln. Und noch besser – das Dorf hat eine Wasserleitung! Es gibt also sauberes Quellwasser statt rotbraunen Flusswassers! Luxus! Die Männer des Dorfes sind alle unterwegs, also helfen uns die Frauen und größeren Kinder, unseren Ausrüstungsberg zu Schule zu schleppen. Da wir 2 Nächte bleiben, muss auch alle Küchenausrüstung und das Essen mit. Wir sind völlig durchgeschwitzt und die Mariquis piesacken uns, da der Schweiß sofort alles Autan von Gesicht und Händen spült. San Luis Grande liegt an einem kleinen Nebenfluss des Quiquibey relativ sicher. Nach und nach kommen alle mal vorbei um uns zu begrüßen. Bim Schleppen fällt uns sofort ein süßes kleines Mädchen ins Auge mit einem großen prallen Puchichi (Abszess) auf der Brust. Die arme kleine Maus wird morgen sehr tapfer sein müssen! Trini, der Dorfvorsteher und andere kommen am Abend noch auf ein paar Coca Blätter vorbei. Es wird lange erzählt. Wir sind stolz, dass das Licht in den Hütten noch funktioniert. Letztes Jahr hatte ich mit Rolf fleißig Kabel vom Notstromer gezogen und Birnen angeklemmt – ein Quantensprung im Regenwald! Allerdings braucht der Generator Benzin und das gibt’s nur in Rurre bzw. ja auch da gerade nicht…. Für manche wird es ein sehr langer Abend. Nachts beginnt es zu regnen. Die Luft kühlt angenehm ab – fast könnte man sich zudecken – Scherz!
9.00 Uhr kommen die ersten Frauen und Kinder. Josello hat seine „Anmeldung“ im Freien aufgebaut. Am Quiquibey arbeiten wir ja schon viele Jahre, so haben die meisten bereits „Krankenakten“. Wenn nicht, wird ein neues Blatt ausgestellt. Da nicht jeder Ausweispapiere besitzt frisst die Prozedur Zeit. Dann wird jeder gewogen und der Blutdruck wird gemessen – immer familienweise. Naja, bei 5 bis 10 Kindern dauert das halt. Wegen der hygienischen Zustände sind Parasiten ein generelles Problem, weshalb alle von mir einen Parasitenbekämpfer bekommen. Sind ganz schön groß für Kinder diese Tabletten. Deshalb gibt’s auch einen Luftballon als Tapferkeitsmedaille. Er verkürzt den Kindern außerdem die Wartezeit und sorgt (leider) dann mitunter für Tumult im Behandlungsraum. Wir versuchen zwar, nur jene ins Zimmer zu lassen, die gerade dran sind, aber das sind bei 2 Ärzten, eine Zahnärztin und dem Impfer bei der Familiengröße eine ganze Menge Leute. Zudem hat der Raum keine geschlossenen Fenster nur Metallstäbe, somit gibt’s weder Sichtschutz noch Ruhepol. Muss man sich halt dran gewöhnen! Familienweise wird dann aufgerufen. Die Mutter mit dem süßen Mädel mit dem großen Abszess kommt fast als erstes. Um nicht alle anderen Kinder zu verschrecken, entscheidet doctor Max, den Abszess erst zu spalten, wenn alle anderen durch sind. Derweil soll ein feuchtes Tuch die Beule aufweichen. Ich übernehme neben dem Entparasitieren noch die Apotheke. Torte hilft Register schreiben, Medikamente suchen und in der Kombüse. Carlos kontrolliert Impfausweise und impft, bzw. verteilt Vitamine während Sonia sich um die Zähne kümmert. Seit einiger Zeit kommen verstärkt Kinder in ihre Sprechstunde. Es hat sich mittlerweile rumgesprochen, dass der Zahnarzt zwar schmerzt, aber wirklich Abhilfe schaffen kann. Es ist fast 14.00Uhr, als wir Mutter und Tochter holen. Eine Schulbank wird zum OP-Tisch. Die Mutter wird uns keine große Hilfe sein. Max wird das Skalpell führen, Linnea assistieren, Torte sorgt für Material Nachschub und dokumentiert. Sonia übernimmt die linke Körperseite. Ich fixiere die Beine, Füße und die rechte Hand. Carlos versucht Kopf und Schultern zu bändigen. Doctor Max muss zuerst mit einer Kanüle zwei Öffnungen in die Beule stechen, dann den Schnitt setzen und schließlich muss der Eiter heraus bis sauberes Blut kommt. Die Kleine bäumt sich wie wild auf und brüllt. Endlich hat Max den Schnitt geschafft, aber es ist nicht genug. Carlos hat als altgedienter Krankenpfleger mehr Erfahrung und gibt Hinweise. Es ist wirklich nicht mein erster Abszess, aber ich habe, dass Gefühl, dass es viel länger dauert als sonst. Endlich, Eiter blubbert. Es stinkt erbärmlich. Die Kleine schreit, ihrer Mutter schaut uns aus der Ecke mit bangen Augen an. Wenn der Druck weg ist, tuts auch nicht mehr so weh. Aus dem Schreien ist ein Schluchzen geworden. Aus einem Stück Einweghandschuh bastelt Max eine Drainage für die Nacht. Dann endlich kommt eine Kompresse drauf und wir können loslassen. Erleichtert nimmt ihre Mama Sania auf den Arm. Als Belohnung bekommt sie einen von Fridas Fingerdrachen – wenigstens eine kleine Wiedergutmachung. Die Anspannung lässt nach, wir sind total durchgeschwitzt. Erst jetzt merken wir, dass wir völlig zerstochen sind an Armen, Gesicht und Händen – die Mariquis haben die Situation schamlos ausgenutzt. Aber das ist definitiv jammern auf hohem Niveau, angesichts der Schmerzen für die Kleine. Umso überraschter sind wir, als sie uns am Nachmittag bei der Zahnputzcampagne übers ganze Gesicht entgegenlacht statt bei unserem Anblick sofort wieder hysterisch loszuschreien. Ich hätte das verstanden!
Jetzt gibt’s erstmal ein spätes Mittag und die Jungs wollen Angeln. Derweil fülle ich mit Linnea und Joselo den Medizinposten mit Basis Medikamenten auf. Sie müssen wieder für ein ganzes Jahr reichen. Irgendjemand erzählt, der Fluss sei extrem gestiegen. Tatsächlich, an der Anlegestelle starre ich nicht auf einen kleinen Nebenfluss, sondern auf einen See. Es sind die rotbraunen Fluten des Quiquibey, die in den Zufluss drücken. Die Mündung ist mindestens 800m entfernt. Schon wieder Hochwasser am Quiquibey! Trini meint es wäre schlimmer als bei der Jahrtausendflut 2014. Als die Angler zurückkommen, sind sie geschockt. Gefangen haben sie auch nix. Wir bangen um unsere Weiterfahrt morgen. Mag ja sein, dass der Quiquibey sehr kurz ist und die Welle schnell durch. Aber was ist mit den Pfaden zu den Dörfern? Ausgerechnet morgen müssen wir nach San Luis Chico und Bisal. Die lagen bis zur Flut 2014 direkt am Fluss. Dann hat der Quiquibey seinen Lauf geändert und man muss eine halbe bis dreiviertel Stunde reinlaufen, dabei Totarme, kleine Flüsschen und Schlammareale queren. Das ist schon mühselig mit dem ganzen Zeug wenn alles normal ist! Der nächste Ort, Corte, liegt zwar noch direkt am Fluss – deshalb wollten wir dort morgen übernachten – dürfte aber bei dem Flusszustand unter Wasser stehen. Na warten wir erstmal ab!
Auch ohne fangfrischen Fisch gibt’s ein leckeres Abendessen – Spaghetti – ganz ohne Reis!!!! Wir sitzen noch bei einem Schlummertrunk beisammen, ehe wir müde in die Zelte kriechen. Zum Glück sind wir in San Luis Grande – hier kann man es, wenn nötig, auch länger aushalten.
Donnerstag - Adalit und Melwin befinden den Fluss für fahrbar. Brauner Schlamm markiert den gestrigen Höchststand – Wahnsinn! Aber jetzt stört kein Baumstamm, die Strömung ist normal und man braucht keine Angst zu haben. Nächstes Ziel ist San Luis Chico - am Montag saßen gefühlt sämtliche männlichen Dorfbewohner mit ihren Angelschnüren am Ufer. Wir hatten bescheid gegeben, dass wir Donnerstag früh kommen. Jetzt steht keiner am Ufer. Wir sehen zwar noch das „Ortshinweisschild“, finden aber keine Anlegestelle mehr. Ein umgestürzter Baum liegt davor und die Böschung ist steil und schlammig. Wir suchen den ganzen Uferstreifen ab und rufen - keiner da um zu helfen. Wir klettern die Böschung hinauf und machen uns alleine bepackt auf den Weg, gefasst auf eine anstrengende Schlammschlacht. Nach 10 min stehen wir vor Wasser. Nicht breit, aber tief und ohne festen Grund. Kein Steg, keine Brücke weit und breit, kein Einbaum, kein Minifloß. Wir haben auch keine Fußspuren gesehen im Schlamm bis hierher. Wir rufen. Nix, nada! Schwimmen können wir mit den Medizinkisten nicht. Wahrscheinlich steht ab hier alles unter Wasser. Wir schleppen alles zurück zum Boot. Warten dort noch eine halbe Stunde, vielleicht kommt ja doch noch einer und es gibt einen anderen Zugang. Aber es rührt sich nix.
Also fahren wir weiter und fragen uns, wie wir dann erst morgen Bisal erreichen sollen. Wenn unser angepeilter Nachtplatz Corte wirklich überschwemmt ist, müssten wir weiter bis Gredal und somit womöglich Bisal auslassen. Für große Hin- und Herfahrten reicht unser Benzin nicht mehr … Gegen die logistischen Probleme sind diesmal die Sprechstunden fast ein Kinderspiel bzw. sind wir da ein eingespieltes Team. Aber Corte ist glimpflich davongekommen, Schulhütte und Fußballplatz sind hoch genug gelegen und trocken geblieben. Melwin und Adalit holen noch die Familien vom anderen Ufer zur Sprechstunde, dann kann es losgehen. Ein Familienvater, Feliciano, zeigt uns eine Tüte mit verpackten Ampullen und Spritzen. Es ist ein Leishmaniose Medikament. 21 Tage lang muss es unbedingt regelmäßig intramuskulär gespritzt werden, damit die Therapie anschlägt. Packungsbeilagen und Anleitungen gibt’s auch, aber niemanden, der sie lesen kann. Leishmaniose wird auch weiße Lepra genannt. Doctor Max und Carlos sind irritiert. Zum einen ist es ungewöhnlich, das Medikament dem Vater, einem Laien, in die Hand zu drücken. Zum anderen stellen sie sofort eine Diskrepanz zwischen Anzahl der Ampullen und den Spritzen fest. Bei Nachfragen zur regelmäßigen Anwendung wächst ihre Besorgnis. Dem Sohnemann haben die Ärzte aus …. (ja wer eigentlich?) quasi die Einstichstelle mit einem Marker auf den Hintern gemalt, quasi mit Planquadrat damit nicht bei falscher Einstichstelle wichtige Nerven getroffen werden. Das ist sowas von schräg! Max und Carlos erklären alles nochmal, nehmen sämtliche Männer mit in die Pflicht. Im Interesse der Gemeinde müssen sie alle für eine erfolgreiche Therapie sorgen. Dann wird noch eine Beispiel Injektion gesetzt. Die Hoffnung stirbt zuletzt! Nach dem Ende der Sprechstunde geht erstmal ein ordentlicher Tropenregen nieder. Das Dach der Schulhütte ist so löchrig, dass es bald Pfützen auf dem Boden gibt. Es ist schon fast 16.00 Uhr – heute kommen wir also nicht mehr weiter. Immerhin bleibt für die glücklosen Fischer von gestern eine zweite Chance und die wird genutzt. Heute Abend gibt’s einen riesigen Wels. Der Himmel hält zum Glück bis fast Mitternacht die Schotten dicht. Die gemeinsamen Abende schweißen genauso zusammen, wie die Arbeit am Tag oder die Abenteuer unterwegs. Alte Geschichten werden ausgegraben. Ab Mitternacht schüttet es durch bis zum Morgen durch. Alles ist einfach nur klamm, aufgeweicht und nass und schlammig. Das Steilufer ist die reinste Schmierseife. Die Kinder winken uns ein letztes Mal zu und wir sind wieder auf dem Fluss
An zwei Stecken in der Sandbank erkennen wir den Pfadeingang zum Dorf. Die Sandbank ist noch völlig aufgeweicht und eh man sich’s versieht, kann man bis zum Rand der Gummistiefel und tiefer einsinken. Das ist immer nur für die Zuschauer lustig. Wir legen Geäst unter und laden unsere Ausrüstung aus. Gerade wollen wir die Kisten schultern, da hören wir einen Motor, ein „Peque Peque“. Wir jubeln. Man hat uns gehört und kommt zumindest das schwere Gepäck holen. Wir warten, wollen lieber nach dem Weg fragen – oder vielleicht ist ja im Boot auch Platz für Menschen, denn das Wasser wird deutlich über Kniehöhe stehen auf dem Pfad. Es dauert unheimlich lange, dann stößt ein Boot aus dem kleinen Zufluss. Wir freuen uns wirklich – noch mehr, als wir hören, dass noch ein zweites Boot kommt und den Rest des Teams einladen wird. Zu Fuß würde Garnichts gehen im Moment. Wir hocken in den Einbäumen und fahren durch wahre Gestrüpptunnel mit engen Kurven. Ohne einen Puntero mit Stakestange, der am Bug das Boot in die richtige Richtung stößt, geht nix. Sie haben den „Kanal“ mit Macheten bearbeitet und wir sehen auch hier, wie drei Meter über uns die Schlammmarkierung der Flutwelle an den Pflanzen endet. Gruselig. 3 Stunden später sitzen wir wieder im Boot. Erst gegen Mittag kommt die Sonne raus. Im letzten Dorf, in Gredal, erzählen die Leute, dass auch Rurre wieder ein wenig überschwemmt war und im Radio hat man angekündigt, dass der Beni wieder steigt. Na klasse, nimmt denn das mit dem Hochwasser kein Ende auf dieser Tour? Ob dem wirklich so ist werden wir erst wissen, wenn wir kurz vor der Mündung sind. Es gibt kein Telefonnetz, keine Fluss-App hier. Aber die Überraschung kann ja auch mal positiv sein! …. Das ist sie auch. 18.00 Uhr erreichen wir Rurre. Das Wasser stand zwar Mittwoch in den Straßen, ist aber schon wieder abgelaufen. Alle freuen sich auf saubere Sachen, eine Dusche und ein trockenes Bett! Vielen Dank, an unser Team in Bolivien und all die Helfer und Unterstützer in Deutschland, die die Arbeit hier erst ermöglicht haben!
17.2.19, Sonntag, 0.05Uhr: Torte hat sich gemeldet, der Rio Beni ist drüber über die Kante und steigt weiter – Alarmstufe rot. Will heißen, nicht nur alle Bootsführer am Beni werden heute Nacht wieder um ihr Hab und Gut bangen müssen. In 8 von 9 Bundestaaten Boliviens jagt eine Flutwelle, bzw. jagt ein Erdrutsch den nächsten, Straßen werden weggespült oder durch Erdrutsche zerstört und blockiert. Hoffentlich können wir am Dienstag wirklich zur nächsten Medizintour starten. Die Weiler oberhalb am Rio Beni werden sie nach den erneuten Überflutungen verdammt nötig haben!