Medizinische Hilfe

Quiquibey Tour März 2009 von Jaqueline Pflug, Medizinische Hilfe Bolivien e.V.

Torewa:
Unser erstes Ziel der medizinischen Versorgung. Durch die Regenzeit haben sich die sonst begehbaren Wege durch den Wald mit Wasser gefüllt, so konnten wir mit unserem Versorgungsboot direkt an dem Dorf Torewa anlegen. Ein Schuss mit Feuerwerkskörpern gab den Dorfbewohnern das Signal mit Schubkarren ans Ufer zu kommen. Alles wird ausgeladen und ins Dorf transportiert. Die Dorfbewohner sind freundlich aber sehr zurückhaltend. Hier leben überwiegend Tsimane, eines der Urvölker Boliviens. Wir brauchen für die Behandlung einen Übersetzer. Mindo, unser Bootsfahrer ist der Ursprache mächtig. Ein paar Frauen mit Kindern versammeln sich in der Schule. Dort wartet Dr. Romer Handy, ärztlicher Direktor unseres Vereins, auf seine ersten Patienten. Die Männer sind nicht vertreten, die Reisernte hat Vorrang, bevor der nächste Regen kommt. Dr. José Manuel, Vereinszahnarzt, bereitet seine Instrumente vor und hängt Schauplakate zur Zahnpflege auf. Viele Patienten gibt es diesmal nicht für ihn. Das ist die passende Gelegenheit für die Zahnbürsten. Alle Dorfkinder versammeln sich im Kreis, José und ich putzen fleißig mit den Kleinen die Milchzähne. Die Kinder haben sichtlich Spaß an der Abwechslung. Die Zahnbürsten sind eine Spende aus einem deutschen Kindergarten in Chemnitz und werden jetzt hoffentlich von den Torewakindern täglich genutzt.

Dr. Romer Handy hat im Gegensatz mit weniger fröhlichen Gesichtern zu arbeiten. Viele Bewohner leiden unter Fieber - hauptsächlich Verdachtsfälle auf Dengue Fieber, sowie infizierte Insektenstiche und Pilzbefall bei Kindern. Einigen Familien merkt man an, dass sie öfter Kontakt zur Außenwelt haben, durch z.B. Warenverkauf. Bei anderen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein…

Charque:
Früh bauen wir unsere Zelte ab, noch schnell ein Frühstück und an die Arbeit. Charque ist bei dem momentanen Wasserstand in einer halben Stunde zu erreichen.

Fünf Familien leben hier, sie warten schon auf uns. Alle versammeln sich unter einem Dach aus Palmenblättern. Auch hier wird der Alltag von der Ernte und Jagd bestimmt. In Charque nutzen die Bewohner das schlammige Flusswasser als Trinkwasser. Das spiegelt sich auch in den Behandlungen wieder. Grosse Bäuche melden sich bei Dr. Romer Handy, klagen über Übelkeit, Appetitlosigkeit und blutigen Durchfall. Die Medikamente gegen Parasiten gebe ich den Kindern direkt zum Einnehmen in den Mund. Schnell sind sie geschluckt. Zum Trösten der Kinder wartete neben mir immer ein Plüschtier auf sie. Die zahlreichen Kuscheltiere haben die Siegerländer Kinder an den Verein gespendet.

Bolson:
Am gleichen Tag schafften wir es, unsere Reise bis an den höchsten Punkt des schmalen Flusses Quiquibey fortzusetzen. Unser Team übernachtete in San Luis Grande um am darauf folgenden Tag in das nahe liegende Dorf Bolson zu reisen. Dort leben die Motseten, auch hier spricht kaum jemand spanisch. Die Hütten die das Dorf bilden sind erschreckend. Höher gelegte Holzbretter und ein Blätterdach bilden den Schlafplatz. Ringsherum ist alles offen. An dem Dach hängt Kleidung und Fleisch zum trocknen. Überall verteilt sich der Müll, es riecht nach Urin. Ein Haus nur ist mit Bambus umbaut. Auch hier sehen wir die Folgen der mangelnden Hygiene und einseitiger Ernährung. Viele Erwachsene leiden unter Knochen. -und Muskelschmerzen, die Kinder unter Parasiten und andauerndem Husten. Die Gesichter der Babys sind überseht mit Stichen und immer wieder setzten sich die kleinen Salz liebenden Fliegen in Augen, Nasen und Ohren.

Dr. Jose Manuel muss einige Bewohner von verfaulten Zähnen befreien, Abszesse im Mund spalten und die großen Wunden mit Nähten versorgen. Und all das mit dem Licht einer Taschenlampe, einem einfachem Instrumentenset und einem Bänkchen wo die Patienten platz nahmen. Urwaldmedizin…Auch Dr. Romer Handy weiß genau wie viel notwendig ist für eine Behandlung und wo auch wir leider passen müssen da die uns gegebenen Bedingungen es nicht erlauben und die Medikamente für alle reichen müssen. Hier finden wir den Herrn mit dem Wildschweinbiss am Knie wieder. Er macht kleine Fortschritte, konnte lange Zeit nicht laufen und hat immer wiederkehrende Ergüsse im Knie. Er scheint sehr getrübt zu sein, kann schon lange nicht mehr auf die Jagd und aufs Feld. Seine Familie ist auf ihn angewiesen. Wir verweisen ihn ins Hospital San Buenaventura, dort muss er sein geschwollenes Knie operieren lassen.

San Luis Grande:
Hier gibt es endlich eine Möglichkeit sich zu waschen. Am Dorfrand fließt ein klarer Bach. Wir müssen dadurch auch deutlich weniger Parasitenerkrankungen behandeln. Die Mehrzahl der Dorfbewohner spricht Spanisch. Als erster Patient kommt ein 23 Jahre alter Mann zu uns.

Er wurde beim Fischen mit Pfeil und Bogen von einem Rochen gestochen. Der Stachel steckte zum Glück nicht mehr im Bein aber die Wunde ist tief und schmerzhaft. Auf einer Schulbank breitet Dr. Romer Handy sein Arbeitsmaterial aus- die Wunde muss gründlich gesäubert und verbunden werden. Danach spritzte ich ihm noch ein Antibiotikum, damit hat der junge Mann Glück gehabt. Auf dem Kopf des 8 jährigen Andres finden wir mehrere kleine beulenähnliche Erhebungen. Dr. Romer Handy diagnostiziert eine eitrige Infektion durch Mückenstiche. Den Abszess müssen wir spalten. Ein kleiner Eingriff mit dem Skalpell. Er sitzt auf dem Schoß seines Papas, den Reisebegleiter Bert hält er fest in seinen Händen. Er ist tapfer, froh endlich von den größeren Schmerzen befreit zu werden. Ich lege ihm einen Kopfverband an, damit er nicht auffällt bekommt er von uns ein Basekap geschenkt, welche die Freie Presse Chemnitz für solche Zwecke gespendet hat. Wir ziehen weiter. Auf der Fahrt in die nächsten Dörfer zählen wir viele Schildkröten und Kaimane, die ihren Mittagsschlaf auf Sandbänken halten.

Aguas Claras:
In dem kleinem Dorf erwartete uns nur eine Frau mit ihren Kindern. Die Männer sind seit Tagen schon auf der Jagd. An ihrer Überdachung hängt ein Stück getrocknetes Fleisch, dies muss für alle reichen bis ihr Mann zurückkehrt. Das Dorf und seine Bewohner sind in einem schlimmen Zustand. Die Kinder sind schmutzig, übersäht mit infizierten Stichen und Hautpilzen. Die Mutter interessiert es wenig, sie zeigt kaum Interesse an unserem Besuch. Doch wir müssen diese Kinder behandeln. Sie bekommen Antibiotika und eine Creme gegen den Hautpilz. Ob die Mutter die Behandlung fortführen wird ….

Corte:
In Corte hatten wir ein kleines Erfolgerlebnis. Der 10 Jahre alte Junge, den wir im Juli behandelten, zeigt keine äußerlichen Spuren einer cutanen Leishmaniase mehr. Auch der 6 Jahre alte Juan, mit seiner großflächigen Brandwunde der Hand, ist Dank unseres Ärzteteams komplett kuriert. Das macht uns Mut…

San Luis Chico:
In San Luis Chico kam uns das Grauen. Kaum Vorstellbar wie man Kinder so leiden lassen kann. Der Kleine ist knapp ein Jahr, seine Mutter lächelt uns an als sie ihn uns brachte. Eine riesige Eiterbeule kam aus seiner Stirn. Das Baby nuckelte mit Schmerzverzogenem Gesicht an der Brust. Bei unserem Anblick fing er furchtbar an zu weinen, dabei öffnete sich der Abszess auf seiner Stirn und der Eiter floss über sein Gesicht. Die Mutter lächelte immer noch. Wahrscheinlich passiert das häufiger, sie konnte uns nicht sagen wie lange ihr Sohn schon litt. Dr. Romer Handy und ich säuberten die Wunde und legten einen Verband an. Nach dem Eingriff besuchte ich sie zu Hause. Der Kleine hatte sich den Verband schon heruntergerissen, sein Gesicht war schmutzig und mit seinen dreckigen Fingern rieb er sich durch die Wunde. Ich legte einen neuen Verband an und versuchte mit seiner Mutter zu reden. Sie lachte herzlich….

Bisal:
In Bisal kamen wir gerade noch rechtzeitig. Am Morgen ist ein Mann die Böschung heruntergestürzt und hat sich eine tiefe Wunde im Gesicht zugezogen. Nach der kurzen Zwischenzeit konnten wir noch Nähen bevor sich die Wunde infiziert.

San Bernardo:
San Bernardo hat drei Familien. Hier leben ebenfalls alle Bewohner unter einem Dach. Auf einer kleinen Feuerstelle liegt die Jagdbeute. Töpfe existieren, werden aber so gut wie nie genutzt. Hier finden wir die 23 Jahre alte Frau wieder, die nach einem Unfall beim Baumfällen ihren linken Arm verloren hatte. Sie ist inzwischen Mutter von einem kleinen Mädchen. Erstaunlich wie sie alles meistert. In diesem Dorf haben die Bewohner überwiegend Hauterkrankungen und Bronchitis.

Credal:
Als wir das Dorf betraten, kam ein plötzlicher Platzregen. Ein kleiner Junge fuhr gerade mit seinem Fahrrad, rutschte im Schlamm aus und zog sich eine Platzwunde am Kopf zu. Dr. Romer Handy konnte die Wunde mit zwei Stichen nähen. Jeder zweite Bewohner meldete sich mit den typischen Symptomen eines Denguefiebers. Hier hatten wir schon auf der Hinfahrt nach San Luis Grande einen Fischer getroffen, der um Hilfe rief. Eine Familie hatte das Dengue schlimm erwischt; hohes Fieber, Erbrechen und Gliederschmerzen. Wir gaben ihn Medikamente, die bis zur unserer Ankunft die Beschwerden lindern konnten.

Die medizinische Behandlung in Zahlen:

Insgesamt wurden 267 Patienten, davon 94 Kinder unter 5 Jahren von uns behandelt.
Zahnärztlich wurden 60 Patienten behandelt und untersucht.

Erkrankungen
Verdacht auf Dengue Fieber: 27
Bronchitis: 16
Parasiten: 29
Hautpilz: 15
Verletzungen/Wunden: 18
Erkältung/Grippe: 54
Gastritis: 9
Hautekzeme: 33
Knochen-/Rückenschmerzen: 41
Lungenentzündung: 8
Abszesse: 8
Harnwegsinfekte: 3
Leishmaniase: 1
blutige Durchfallerkrankung: 8
gynäkologische Beschwerden: 5

Wir danken allen die an Medizinische Hilfe Bolivien e.V. und Projekt Regenzeit e.V. für unser Projekt spenden, ohne die würde eine Medizinreise in die vergessenen Dörfer am Quiquibey nicht möglich sein.