Medizinische Hilfe Rio Quiquibey 2010

Wir sind zurück vom Quiquibey und wie immer froh, dass wir helfen konnten. Ein großes Dankeschön an alle Beteiligten!

Außer den bolivianischen Ärzten Handy Romer (Allgemeinarzt) und Jose Manuel (Zahnarzt) war wieder eine Krankenschwester aus dem Hospital in Rurre (zuständig für die Impfkampagne und SUMI-Programm) dabei sowie je eine Oberärztin und Krankenschwester (beide spezialisiert auf Anästhesie) aus der Schweiz. Die beiden waren ein echter Volltreffer. Zudem gehörten Stefan (Hotelier aus der Schweiz), Mindo und Celso (beide vom Pilon Lajas Schutzgebiet), Jacki von der Medizinischen Hilfe Bolivien und wir beide zum Team.

In einigen Dörfern hat sich wieder etwas zum Positiven gewandelt (z. B. die Grundordnung), allen voran in San Bernardo und San Luis Grande - aber es gab auch Momente der Resignation. Wichtigster Erfolg der Tour war, genau im rechten Moment am richtigen Ort gewesen zu sein, um einem Menschen das Leben zu retten. Auf Grund der hohen Pegelstände des Rio Beni mussten wir die Route ändern und behandelten am Rio Quiquibey so zuerst in der Comunidad Asuncion.

Eine Ewigkeit saß die blutjunge Mutter geduldig in einer Ecke und hatte die etwas "Vorlauteren" und "Wohlhabenderen" (selbst im ärmsten Dorf gibt es Rangunterschiede) immer wieder vordrängeln lassen … Als Dr. Handy den winzigen Säugling in ihren Armen sieht, schlägt er sofort Alarm. Die Kleine ist schon grau und atmet kaum noch. Der Mutter steigen ob der plötzlichen geballten Aufmerksamkeit Tränen der Angst in die Augen. Simone, die Anästhesieoberärztin, weist uns verstohlen auf das weiße Dreieck um Mund und Nase hin - ein sicheres Zeichen für einen nahen Tod. Sie versprechen sich in die Hände, alles zu tun, was mit den bescheidenen Mitteln möglich ist, um das Leben zurückzuholen - ihre realistische Prognose treibt einem Laien die Tränen in die Augen. Geschult durch viele Einsätze im Notarztwagen kennt sie sich zum Glück mehr aus, als die reinen Spezialisten. Es werden alle Register gezogen. Verzweifelt, versucht sie mit Birgit, ihrer Krankenschwester, einen Zugang zu legen. Die Atmung wird immer schwächer. Endlich fließt die kräftigende Lösung in den gemarterten kleinen Körper. Aber es gibt kaum eine Reaktion. Alle würden jetzt nur zu gern helfen - eben etwas tun, statt zu hoffen. Ich bekomme den Auftrag, eine Atemmaske/Atembeutel zu improvisieren. Mit Jacki hatte ich nach Birgits Idee schon den oberen Teil einer 0,5 l Flasche präpariert als Maske. Den scharfen Rand haben wir mit Watte gepolstert. Fixiert wird das ganze mit einem Latexhandschuh. Nun fehlt aber der Beutel. Froh über eine Aufgabe leere ich schließlich meine Sonnencremeflasche. Mittels weiterer Handschuhfinger, Tape und einem Stück Infusionsschlauch wird ein geschlossenes System daraus - und es funktioniert tatsächlich. Aber das Beste ist, nach 2 Stunden hat sich der Kreislauf und auch die Atmung des kleinen Wesens stabilisiert. Jeder Fortschritt wird leise bejubelt. "Es hat die Augen auf!" "Es hat an der Brust getrunken!" "Es hat gepullert!" Obwohl eigentlich keine Chance bestand, haben die Ärzte gekämpft. Simone hat jedes nur mögliche Präparat genutzt aus unseren bescheidenen Beständen. Der Rest hat gebangt - und wir haben gewonnen!!!

Wären wir wie üblich am letzten Tag erst in Asuncion gelandet, wäre das kleine Wesen schon nicht mehr am Leben gewesen. Umso erschreckender die Ursache - keine komplizierte Infektion, kein Herzfehler. Dehydrierung nach einem Durchfall und zu wenig nahrhafte Milch, da die Mutter wegen Mangelernährung zu wenig produzierte, - das waren die Ursachen. Worte sind viel zu leblos, um einen solchen Moment zu beschreiben.

Im obersten Dorf haben wir eine gesunde Mutter mit einem gerade erst 4 Stunden alten Kind besucht - wieder so ein Glücksmoment. Eine detaillierte Statistik über die erfolgten Behandlungen folgt in Kürze. Torte und ich haben sich vor allem um das Zahnputzprogramm mit den Kindern gekümmert. Eine wesentlich dankbarere und amüsantere Aufgabe. Die meisten Kinder und Erwachsenen am Quiquibey besaßen noch nie eine Zahnbürste. Da sie auch kaum Spanisch sprechen und ganz anders ticken als wir, funktioniert auch das Prinzip "Vormachen - Nachmachen" nur bedingt. So gerät die Bürste beim Schauputzen schon mal in den Nacken oder bewegt sich gar nicht. Aber wenn die Programme immer wieder stattfinden und der Lehrer dahinter steht, erreichen wir unser Ziel: Sich die Zähne zu putzen wird auch am Quiquibey selbstverständlich sein! Jose Manuel wird wesentlich weniger Zähne ziehen müssen und auch die Gesamtgesundheit verbessert sich weiter.

Während ich die Zeilen schreibe tropft mir der Schweiß von der Stirn. Seit gestern trage ich eine permanente Fellmütze bei 40 Grad. Gerade hat die Mütze den Daumen im Mund und pennt genau auf meinem Kopf. Nachdem wir uns einen Tag lang das Gezerre der Dorfkinder, das Schnappen der zum Skelett abgemagerten von offenen Wunden übersäten Hunde angesehen haben und einem das Schreien des kleinen Fellbündels immer wieder durch Mark und Bein fuhr, wussten wir, dass es die nächsten Wochen nicht überlebt. Nun haben wir also ein Affenbaby. Da es erst 4 Wochen alt ist, ist es wesentlich anhänglicher als die Nasenbären. Und am meisten Affe bin ich nun mal auf dem Kopf (Torsten hat ja da nicht soviel zu bieten). Also liegt der Kleine die meiste Zeit Daumen lutschend da oben oder kuschelt sich in die Hand. Manchmal versucht er auch aus der Nase ein wenig Milch zu saugen - aber die ist ja doch zu groß und am Ende beißt er rein. Total süß - von wegen! Ein Baby schläft auch mal alleine, oder liegt eben in seinem Bett. Unser Kleiner macht alles - wirklich alles - nur in meinen Haaren. Aber wir haben ja gewusst, worauf wir uns einlassen und auf Station findet er hoffentlich schnell eine neue Familie, wie die anderen Affen vor ihm auch.

Nach drei Jahren medizinischer Hilfe hat sich das Verständnis für Hygiene und Sauberkeit in einigen Dörfern soweit verändert, dass wir unserem Ziel einen kleinen medizinischen Außenposten zu errichten, sehr Nahe gekommen sind. Idealerweise haben wir hierfür die Comunidad San Luis Grande ausgewählt. Sie liegt am Mittellauf des Rio Quiquibey. Die umliegenden Gemeinden sollen ebenfalls profitieren. Nach Gesprächen während der Medizintour mit dem Dorfvorsteher liegt uns auch ein schriftlicher Antrag der von den Mosetene bewohnten Comunidad vor.

Zum Verständnis: Es handelt sich nicht um den Bau eines Krankenhauses, sondern um die Errichtung einer kleinen insektensicheren Hütte aus Naturmaterialien mit Regalen und Schränken für Notfall- und Basismedikamente, welches ebenfalls als "Musterhaus" dienen wird. Ausgegeben werden die Medikamente kostenlos durch den Dorfvorsteher der Gemeinde. Er wird zudem drei Wochen in Rurrenabaque in medizinischen Basics geschult. Diese Schulung übernimmt das nordamerikanisch- bolivianische Projekt "Salud del Rio Beni". Diese haben seit Jahren Erfahrung in diesem Bereich. Ein Antrag der Gemeinde San Luis Grande liegt hierfür bereits vor. In der nächsten Woche finden noch die nötigen Gespräche mit dem für Gesundheit im Pilon Lajas Schutzgebiet Verantwortlichen statt. Auch die Ärzte finden diesen Ansatz hervorragend. Hilfe zur Selbsthilfe. Beratend wird das Projekt unter anderem von Fachkräften des DED begleitet.

Projekt Regenzeit e.V. stellt die benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung. Konstruktionszeitraum sind die Monate Mai und Juni 2010.

Des Weiteren bereiten wir eine Kampagne zum Thema Müllvermeidung und Umweltschutz vor. Schwerpunkt dieser Kampagne aber wird unsere Wiederauswilderungsstation sein. Bei allen Arbeiten beziehen wir das Pilon Lajas Schutzgebiet direkt mit ein.

Tourablauf medizinische Hilfe März 2010
San Buenaventura - Villa Alcera - San Miguel de Bala
Asuncion
Asuncion - San Luis Grande
San Luis Grande - Bolson
San Luis Chico
San Luis Chico - San Bernado - Corte - Bisal - Gredal